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December 8, 2025

Kreislaufwirtschaft zwischen Regulierung und Realität

Die Kunststoffkreislaufwirtschaft steckt mitten in einem tiefgreifenden Transformationsprozess. Neue regulatorische Rahmenbedingungen, wirtschaftlicher Druck und technologische Innovationen treffen auf eine Branche, die historisch gewachsen ist – und sich nun neu erfinden muss.

 

Im Gespräch mit Dr. Peter Orth, Chemiker, Branchenexperte und Co-Herausgeber des Fachbuchs „Circular Economy of Plastics – From Plastics Recycling Towards Feedstock Transformation“, sprechen wir über politische Steuerung, Marktmechanismen und darüber, warum Kreislaufwirtschaft letztlich weniger eine technische als eine gesellschaftliche Aufgabe ist.

Dr. Peter Orth – Branchenkenntnis aus mehreren Perspektiven

Dr. Peter Orth hat die Entwicklung der Kunststoff- und Recyclingwirtschaft über Jahrzehnte aus unterschiedlichen Perspektiven begleitet. Der promovierte Chemiker war in der Industrie tätig, engagierte sich in der Verbandsarbeit und arbeitete immer wieder an der Schnittstelle von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft.

Heute blickt Peter Orth mit der Erfahrung eines langen Berufslebens und mit der Freiheit des Ruhestands auf die Branche. Seine Einschätzungen sind ruhig, reflektiert und bewusst frei von institutionellen Zwängen – kritisch, aber ohne Agenda.

Ein Buch als Verdichtung einer industriellen Transformation

Diese Perspektive findet sich auch in dem Buch
„Circular Economy of Plastics – From Plastics Recycling Towards Feedstock Transformation“,
das Dr. Peter Orth gemeinsam mit Jürgen Bruder, Ulrich Liman und Manfred Rink herausgegeben hat.

Das Werk ist keine technische Anleitung, sondern eine umfassende Bestandsaufnahme und Einordnung der Transformation der Kunststoffwirtschaft: weg von einer historisch gewachsenen linearen Nutzung fossiler Rohstoffe, hin zu geschlossenen Kohlenstoffkreisläufen und einer rohstofflichen Neuaufstellung.

Im Mittelpunkt stehen zwei Kernfragen: Wie kann eine funktionierende Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe realistisch umgesetzt werden? Und wie gelingt der Übergang von fossilen zu zirkulären Kohlenstoffquellen?

Das Buch beleuchtet hierzu die gesamte Wertschöpfungskette – von Produktion und Anwendung über Recyclingtechnologien bis hin zu Digitalisierung, Standardisierung und Regulierung wie der PPWR. Es richtet sich bewusst an Entscheider aus Industrie, Politik, Wissenschaft und Verwaltung.

„Ohne funktionierende Datenströme gibt es keinen Kreislauf“

Herr Orth, Digitalisierung ist ein zentrales Stichwort der Kreislaufwirtschaft. Wie entscheidend ist sie wirklich?

Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Am Ende geht es um Daten und deren Kommunikation. Ohne verlässliche Datenbasis kann kein Kreislauf funktionieren – weder technisch noch wirtschaftlich.

Grundsätzlich sind die Akteure ja vorhanden: Sammelsysteme, Verwerter, Plattformen wie plastship, die Transparenz und Vernetzung ermöglichen. Technisch ist vieles machbar. Was häufig fehlt, ist das Bewusstsein für Verantwortung entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Regulierung als notwendiges, aber begrenztes Steuerungsinstrument

Welche Rolle spielt dabei die Politik?

Politik reguliert bereits stark – manchmal sogar sehr detailliert. Ein aktuelles Beispiel ist die europäische Verpackungsverordnung PPWR und ihre nationale Umsetzung. Der Umfang ist enorm, die Komplexität hoch.

In der Praxis zeigt sich jedoch schnell: An manchen Stellen wird überreguliert, an anderen bleiben relevante Aspekte unberücksichtigt. Politik reagiert immer – Märkte hingegen entwickeln eine eigene Dynamik. Dadurch entsteht zwangsläufig Reibung.

Zwischen Anspruch und Umsetzung

Ein häufig geäußerter Vorwurf lautet Bürokratie. Zu Recht?

Teilweise ja. Die Kritik an der PPWR wird mit der Umsetzung weiter zunehmen. Am Ende spricht man dann wieder von einem Bürokratiemonster.

Das Grundproblem ist weniger die Regel an sich als ihre Durchsetzung. Viele Vorschriften existieren – werden aber nicht kontrolliert. Das untergräbt ihre Wirkung. Gesetze ohne Umsetzung bleiben Theorie.

Krise im Kunststoffrecycling: Strukturwandel statt Stillstand

Aktuell schließen Recyclingunternehmen, die Branche steht unter Druck. Wie schätzen Sie die Lage ein?

Ich halte die aktuelle Situation für eine Übergangsphase, nicht für ein Scheitern. Viele Kunststoffrecycler sind kleine und mittelständische Unternehmen mit begrenzter Kapital- und Innovationskraft. Forschung, Skalierung und Effizienzsteigerung sind unter diesen Bedingungen schwierig.

Was wir jetzt erleben, ist eine Konsolidierung. Unternehmen werden größer, Kooperationen entstehen, Kapital fließt in den Markt. Diese Entwicklung sehen wir auch in der Kunststofferzeugung und -verarbeitung.

Kooperation oder Übernahme

Was heißt das konkret für mittelständische Recycler?

Im Kern gibt es zwei Wege: kooperieren oder übernommen werden. Zusammenschlüsse und partnerschaftliche Modelle sind eine reale Chance, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Langfristig werden größere Einheiten entstehen. Die kritische Mindestgröße für einen stabilen Betrieb liegt meiner Einschätzung nach deutlich jenseits von 100.000 Tonnen Output.

Mechanisches und chemisches Recycling gehören zusammen

Welche Rolle spielen neue Technologien?

Eine sehr große. Im mechanischen Recycling gibt es enorme Fortschritte, etwa bei Sortierung, Sensorik und Maschinenbau. Die Qualität der Rezyklate steigt deutlich.

Gleichzeitig wird chemisches Recycling notwendig sein, um komplexe und gemischte Stoffströme zu verwerten. Der ideologische Graben zwischen beiden Ansätzen ist aus meiner Sicht nicht zielführend. Wir brauchen beide Wege, ergänzt durch eine realistische Bewertung ihrer jeweiligen Stärken.

CO₂-Bepreisung verändert wirtschaftliche Realitäten

Ein entscheidender Treiber ist die CO₂-Bepreisung.

Ja. Müllverbrennung wird teurer, Kunststoffabfälle erhalten einen neuen ökonomischen Rahmen. Was heute unwirtschaftlich ist, kann morgen attraktiv werden.

Dadurch steigt der Druck zur Verwertung – und gleichzeitig die Chance, regionaler und unabhängiger von fossilen Rohstoffen zu werden.

Warum ihn das Thema auch persönlich antreibt

Was motiviert Sie, sich auch heute noch so intensiv mit dem Thema zu beschäftigen?

Da gibt es mehrere Ebenen. Ein Punkt ist durchaus Eitelkeit – im positiven Sinne: Die eigenen Erfahrungen bündeln und weitergeben.

Dazu kommt Verantwortung gegenüber kommenden Generationen. Meine Generation hat die heutige Welt mitgestaltet. Also sehe ich es als meine Aufgabe, dabei zu helfen, sie ein Stück besser zu hinterlassen.

Und nicht zuletzt: Es macht mir schlicht Spaß.

Ein abschließender Appell

Wenn Sie eine zentrale Botschaft formulieren müssten – wie würde sie lauten?

Ganz einfach:
Übernehmt Verantwortung und kooperiert.

Kreislaufwirtschaft bedeutet verantwortliches Handeln entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Sie funktioniert nur, wenn Akteure zusammenarbeiten und über den eigenen Horizont hinausdenken.

Fazit

Die Transformation der Kunststoffwirtschaft ist komplex, konfliktreich und herausfordernd. Doch technologische Entwicklungen, ökonomischer Druck und ein wachsendes Verantwortungsbewusstsein schaffen neue Chancen.

Oder, wie Dr. Peter Orth es zusammenfasst:
Kreislaufwirtschaft beginnt nicht bei der Technik – sondern bei Haltung und Zusammenarbeit.

Krise im Kunststoffrecycling: Strukturwandel statt Stillstand

  • Aktuell schließen Recyclingunternehmen, die Branche steht unter Druck. Wie schätzen Sie die Lage ein?

„Ich halte die aktuelle Situation für eine Übergangsphase, nicht für ein Scheitern. Viele Kunststoffrecycler sind kleine und mittelständische Unternehmen mit begrenzter Kapital- und Innovationskraft. Forschung, Skalierung und Effizienzsteigerung sind unter diesen Bedingungen schwierig.“

Die Branche konsolidiere sich: Unternehmen wachsen, Kooperationen entstehen, Kapital fließt in den Markt – eine Entwicklung, die auch die Kunststoffproduktion und -verarbeitung prägt.

Kooperation oder Übernahme: Strategien für mittelständische Recycler

  • Was bedeutet das konkret für mittelständische Unternehmen?

„Im Kern gibt es zwei Wege: kooperieren oder übernommen werden. Zusammenschlüsse und partnerschaftliche Modelle sind eine reale Chance, wettbewerbsfähig zu bleiben.“

Orth sieht eine klare Tendenz: Langfristig werden größere Einheiten entstehen. Eine kritische Mindestgröße für stabile Betriebe liegt deutlich jenseits von 100.000 Tonnen Output pro Jahr.

Mechanisches und chemisches Recycling gehören zusammen

  • Welche Rolle spielen neue Technologien?

„Eine sehr große. Im mechanischen Recycling gibt es enorme Fortschritte, etwa bei Sortierung, Sensorik und Maschinenbau. Die Qualität der Rezyklate steigt deutlich.“

Chemisches Recycling sei notwendig, um komplexe Stoffströme zu verwerten. Orth warnt vor ideologischen Grabenkämpfen zwischen den Ansätzen:

„Wir brauchen beide Wege, ergänzt durch eine realistische Bewertung ihrer jeweiligen Stärken.“

CO₂-Bepreisung verändert wirtschaftliche Realitäten

  • Ein entscheidender Treiber ist die CO₂-Bepreisung?

„Ja. Müllverbrennung wird teurer, Kunststoffabfälle erhalten einen neuen ökonomischen Rahmen. Was heute unwirtschaftlich ist, kann morgen attraktiv werden.“

Der Druck zur Verwertung steigt, gleichzeitig wird die Chance größer, regionaler und unabhängiger von fossilen Rohstoffen zu werden.

Warum ihn das Thema auch persönlich antreibt

  • Was motiviert Sie, sich auch heute noch intensiv mit dem Thema zu beschäftigen?

„Da gibt es mehrere Ebenen. Ein Punkt ist positive Eitelkeit: Die eigenen Erfahrungen bündeln und weitergeben. Dazu kommt Verantwortung gegenüber kommenden Generationen. Und nicht zuletzt: Es macht mir schlicht Spaß.“

Ein abschließender Appell

„Übernehmt Verantwortung und kooperiert. Kreislaufwirtschaft funktioniert nur, wenn Akteure entlang der gesamten Wertschöpfungskette zusammenarbeiten und über den eigenen Horizont hinausdenken.“

Zukunftsausblick: Wohin entwickelt sich die Kunststoffkreislaufwirtschaft?

Orth sieht die nächsten 5–10 Jahre als entscheidende Transformationsphase:

  • Kooperationen und Konsolidierung werden zunehmen
  • Digitalisierung und Datenmanagement werden Standard
  • Mechanisches und chemisches Recycling werden Hand in Hand arbeiten
  • Politische Regulierung wird anspruchsvoller, aber nur wirksam, wenn sie umgesetzt wird

„Kreislaufwirtschaft beginnt nicht bei der Technik – sondern bei Haltung und Zusammenarbeit.“

Fazit

Die Kunststoffkreislaufwirtschaft steht vor komplexen Herausforderungen. Gleichzeitig entstehen durch technologische Fortschritte, ökonomische Anreize und zunehmendes Verantwortungsbewusstsein reale Chancen. Die Transformation ist möglich – wenn alle Akteure zusammenarbeiten, Verantwortung übernehmen und über den eigenen Horizont hinausdenken.

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